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Rundgang durch das jüdische Stuttgart
Referent: Thomas Schwarz
Am 13. Mai 2009 wurde eine etwa 40 Personen umfassende Gruppe
von Herrn Thomas Schild an einige Orte und Plätze Stuttgarts geführt, die früher und zum Teil auch heute noch die jüdische Tradition Württembergs und seiner Hauptstadt widerspiegeln. Der Rundgang startete auf
dem Hoppenlau Friedhof, wo die Teilnehmer erfuhren, dass hier im 19. und 20. Jahrhundert einige sehr wohlhabend jüdische Gönner der Residenzstadt Stuttgart beigesetzt worden sind. Hervorzuheben ist dabei vor allem
Karoline Kaula und ihre Familie. Sie galt zu ihrer Zeit als reichste Frau Deutschlands und förderte das Haus Württemberg in vielerlei Hinsicht.
Ebenfalls auf dem Hoppenlau Friedhof fand Rabbiner Dr. Joseph Maier seine letzte Ruhe. Vor seinem Grabstein berichtete Schild über die außergewöhnliche Stellung Maiers in Württemberg und seine hohe
Akzeptanz bis hinein in die Königsfamilie. Sein Wirken umfasste auch die Zeit der Erbauung der ersten Synagoge im Jahre 1861. Diese stand bis zur Reichspogromnacht im November 1938 genau auf dem
Platz, an dem die heutige Synagoge in den 50er Jahren erneut erbaut wurde. Bei der Synagogeneinweihung am 3. Mai 1861 endete das
Schlussgebet der Einweihungspredigt Maiers mit den Worten: "Ja, dir, geliebtes Stuttgart, unserem Jerusalem, wünschen wir Heil!"
Einige Meter Weiter stellte Schild das Engagement von Eduard Pfeiffer (1825-1921) am Beispiel des Büchsenbads vor. Pfeiffer, der 1866 einen „Verein zum Wohl der arbeitenden Klasse“ gegründet
hatte, war mit Schenkungen, Stiftungen und günstigen Darlehen ebenfalls ein großzügiger Förderer seiner Heimatstadt. Er sorgte mit seinen Engagement und der finanziellen Unterstützung des
Büchsenbads dafür, dass auch die ärmeren Stuttgarter ein Badehaus besuchen konnten. Zudem war Pfeiffer der Initiator einer Pfandleihanstalt für kurzfristige Kredite in Notlagen, von Volksküchen,
einem Heim für ledige Arbeiter und der Kolonie Ostheim, einem wegweisenden Siedlungsprojekt mit weit über 1.000 familiengerechten günstigen Wohnungen. Da die Ehe das stets sozial eingestellte
Millionärsehepaars Eduard und Julie Pfeiffer kinderlos blieb, spendeten die beiden ihr riesiges Vermögen später mit Hilfe der Eduard Pfeiffer-Stiftung ihrer Heimatstadt. Noch heute werden aus
dieser Quelle Projekte der Jugendhilfe Stuttgarts gefördert. Danach führte der Weg weiter an der Synagoge vorbei hinunter auf den Schillerplatz. Dort war vor
allem das Haus des großen Gelehrten Johannes Reuchlin das Ziel der Ausführungen von Thomas Schild. Reuchlin, ein bedeutenden Philosoph und Humanist (1455-1522) war der erste Christ, der
sich nachhaltig für die hebräische Sprache - die Sprache des alten Testaments und des Judentums - interessierte und studierte. Er schrieb mit „De rudimentis hebraicis“ sogar eine hebräische
Grammatik mit Wörterbuch, durch die das humanistische Studium des Alten Testaments erst ermöglicht wurde. Über die Stiftskirche führte der Weg dann schließlich zum Hans-im-Glück-Brunnen, wo die Gruppe erfuhr, dass die scheinbar so alte
Altstadt rund um den bekannten Brunnen, mit genau 100 Jahren gar nicht so alt ist, wie sie aussieht. Auch beim Abriss und Neuaufbau der kleinen Häuser, die heute einen
der schönsten Teile der Stuttgarter Altstadt bilden (ca. 10 % der ursprünglichen Altstadt) hatte Eduard Pfeiffer in den Jahren 1906-1909 eine zentrale Rolle gespielt. Er war Initiator und Finanzier des
Bauvorhabens, weil er wahrgenommen hatte, dass in den alten und baufälligen Gebäuden, die zuvor dort standen, kaum ein menschenwürdiges Leben möglich war.
Die „neue“ Altstadt wurde Stile von städtischen Wohn- und Geschäftshäusern der Spätrenaissance erstellt und fand seine Vorbilder in den Innenstädten von Innsbruck und Salzburg. Im gleichen Zuge
wurde die Straßen breiter und der zentraler Platz um den heutigen Hans im Glück Brunnen vergrößert. Am Rande des sanierten Stadtgebiets entstand mit dem Graf-Eberhard-Bau eines der
modernsten Geschäftshäuser jener Zeit in Stuttgart. Weitere Informationen über Eduard Pfeiffer, einen der bedeutendsten Söhne Stuttgarts, erhalten Sie im Gedenkblatt der Stiftung Geißstraße. www.geissstrasse.de/publikationen/eduard-pfeiffer-sozialreformer |
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